„Segeln ist die Ausnutzung
von Winddruck zur Fortbewegung eines Fahrzeuges. Unter Segelsport im engeren
Sinn versteht man die Beteiligung an Bootswettfahrten (Regatten), in der
weiteren Auslegung jede Art von Segeln zum Vergnügen.”
Als mich Bert zum ersten
Mal an die Kleinpützer-Pfütze (er nennt sie großartig „Kleinpützer-Meer") zum
Segeln mitnahm und ich - in Unkenntnis der Gebräuche in der christlichen
Seefahrt - in einem Nichts von Badekostüm auf dem Bootssteg erschien, nahm er,
was bei ihm selten vorkommt, die Tabakspfeife aus dem Mund und betrachtete mich,
als käme ein Sturmtief auf ihn zu. „Die Takelung ist ja wohl nicht ganz
zünftig", meinte er. „Aber immerhin." Er schnalzte mit der Zunge und deutete mit
dem Pfeifenrohr über die Schulter. „Und nun geh mal nach achtern. In der Pflicht
steht das Regenwasser knöcheltief. Keine Ahnung wie das dahinkommt. Aber raus
muß es."
Früher hielten sich
Schiffseigner für gemeine Dienste Schiffsjungen.
Ich bin seit damals Berts
Seglerbraut. Wenn mich Bert in seinem schnellen Sportwagen spazierenfährt, wenn
er mit mir ausgeht, selbst wenn wir uns, was zuweilen vorkommt, zanken, redet er
genauso wie jeder andere junge Mann. Am und auf dem Wasser aber spricht er nur
Seglerchinesisch: Pflicht, achtern, nach BB überliegen, Ruder nach Luv, Tampen
weg usw.
Die Seemannssprache hat
eine Seglerbraut zu lernen. Sie und noch einiges dazu: bei Windstärke 6 auf
einem Herd,. der keiner ist, Spiegeleier mit Speck backen zum Beispiel, in der
Elektrik einen Kurzschluß beseitigen, klatschnasse Sweater in zwei Stunden
trocken kriegen und bei hohem Wellengang einen Cuba libre so exakt mischen, als
käme er aus der Savoy Bar.
An Bord eines Segelbootes
ist alles anders. Das Land, der Himmel und der Boden unter den Füßen, und Bert
natürlich auch.
Der Segelsport hat die
Segelschiffahrt zu Eltern. Segelschiffe gab es schon um 1700 v. Chr. bei den
Ägyptern, und die Takelung seinerzeit war von einer modernen gar nicht so sehr
verschieden. Damals segelte man aber nicht zum Vergnügen, sondern um neue Länder
zu entdecken, Handel und Seeräuberei zu betreiben und um Krieg zu führen. Die
Anfänge des Segelsportes sind in Holland, im 17. Jahrhundert, zu suchen. In
Deutschland wurde der erste Segelclub in den Vierzigerjahren des vorigen
Jahrhunderts gegründet. Segeln zum Vergnügen galt damals als außerordentlich
exklusiv.
Im Gegensatz zu anderen
Sportarten, Boxen oder Skispringen zum Beispiel, dürfen sich am Segelsport auch
Leute beteiligen, die gar nichts davon verstehen. Nur Schwimmen sollte man
können.
Echte Segler aber - ganz
gleich, welchem Beruf sie im Alltag nachgehen - werden am Wochenende zu steilen
Kapitänen. Wenn Bert den Weißen Sweater und die dito Hose übergestreift hat,
wenn die Seglermütze verwegen auf dem Ohr sitzt, dann bekommt er seine weltweite
Tour.
Jetzt sagt er plötzlich
Juanita zu mir, Raphaela, Inga-Brit oder Amineh. Der brüchige Bootssteg von
Kleinbumsbach wird zur Reede von Adano, er gröhlt mit heiserer Roststimme den
Surabaya-Jonny und gibt an, als hätte er sich am Morgen die Zähne mit purem
Lemon Hart geputzt. Geht er aber von Bord, stelzt er breitbeinig daher, wiegt
sich in den Hüften wie ein alter Seebär und bildet sich ein, die Mädchen seien
nur deshalb hintenherum so hübsch rund, damit er mit seinen großen Händen
draufklapsen kann.
Kommt auf unserer Pfütze
aber eine steife Brise auf, dann segelt er vor dem Wind, daß sich der Mast biegt
wie ein betrunkenes Florett, und während ich meinem Magen gut zurede, mich nicht
zu blamieren, hockt er wie ein Klabautermann auf dem Bootsrand und schreit
Urlaute gegen die Gischt. Wie er das macht, ohne daß ihm die Stummelpfeife dabei
aus den Zähnen fällt, dahinter bin ich noch nicht gekommen.
Aus meinem stinkfeinen
Maßanzugsbert ist plötzlich ein verwegener Bursche, ein Windnarr, ein Mannskerl,
wie aus dem Bilderbuch, geworden; ich aber bibbere vor Angst und denke an
Piraten und Flibuster, an Schatzinsel, Käpt'n Flint und Meuterei auf der Bounty.
Gesegelt wird „vor dem
Wind", wenn er gerade oder nur wenig schräg von hinten kommt; „beim" oder „am
Wind", wenn er schräg von vorn bläst; „mit raumen Wind", wenn er schräg von
hinten weht. Gegen den Wind kommt man nur im Zickzackkurs (Kreuzen) durch Wenden
und Halsen an. Die Ausführung der Segelmanöver erfordert Geschick, große
Erfahrung und dazu eine gute Portion nautischer und aerodynamischer Kenntnisse.
Nicht jeder, der ein Ruder
festhalten kann, ist auch ein guter Segler. Aber das ist auch nicht so furchtbar
wichtig. Segeln macht immer Spaß - und gesund ist es obendrein. Segeln läßt
Männer glücklich werden. Es befriedigt ihren Hang zur Romantik, ihr Bedürfnis
nach körperlicher Bewegung und den Wunsch, Mut und Geschicklichkeit zu erproben.
Segeln ist Raufen mit den Elementen, ist ein dauernder Überlistungsprozeß mit
redlichen Mitteln.
Welcher rechte Mann fände
bei solchem Tun nicht Zufriedenheit und inneres Gleichgewicht?
Blieben noch die
Seglerbräute.
Mit meinem Käptn bin ich
inzwischen längst verheiratet; seine Seglerbraut bin ich deshalb aber immer
noch. Solange er das Ruder nicht aus den Händen gibt, wird sich an diesem
Zustand auch nichts andern.
Der Brautstand der
Seglerbräute ist permanent.
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GmbH Quelle: Das Tabakblatt - Ausgabe: September 1961 - Autor: Monika
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